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Juni 2022. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat heute die
Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Die Gasversorgungskrise
erfordert in allen Bereichen, den Energieverbrauch schnell und
wirkungsorientiert zu senken. Die Einführung eines
Energieeffizienz-Verpflichtungssystems in Deutschland könnte einen
Beitrag leisten, zusätzliche Energieeffizienzpotenziale zu heben. Dazu
gehört die Einführung sogenannter Weißer Zertifikate, die sich bereits
in zahlreichen Ländern als Instrument zur Einsparung von Energie bewährt
haben. Deutschland hat bislang die verschärften energiepolitischen
Ziele auf nationaler und europäischer Ebene verfehlt. Dies und der Krieg
Russlands gegen die Ukraine mit den daraus resultierenden
Energieversorgungsrisiken und Energiepreissteigerungen erhöhen den
Druck, weitere wirkungsmächtige Energiesparinstrumente einzuführen. Ein
solches schlägt nun die Deutsche Energie-Agentur (dena) vor: ein
gesetzlich verankertes Energieeffizienz-Verpflichtungssystem.
Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung: „Über die Hälfte der europäischen Mitgliedstaaten nutzt bereits ein solches Instrument. Nun ist es an der Zeit, dass auch Deutschland mit seinem relativ gut entwickelten und wachsenden Energieeffizienzmarkt diesen zusätzlichen Schritt geht. So könnten rund 1.100 Energieversorgungsunternehmen, über 15.000 Energieberatende sowie mehr als 100.000 Handwerksunternehmen und Dienstleistende mit ihrer Fachkompetenz aktiviert werden, in den nächsten Monaten systematisch die am einfachsten und kostengünstigsten erschließbaren Energieeinsparungen bei ihren Kundinnen und Kunden zu identifizieren und zu ernten.“
Bei einem Energieeffizienz-Verpflichtungssystem wird eine bestimmte Gruppe von Akteuren, zum Beispiel Energieversorgungsunternehmen, verpflichtet, staatlich vorgegebene Mengen an Energieeinsparungen zu realisieren oder nachzuweisen. Dies können die Verpflichteten tun, indem sie selbst bei ihren Kundinnen und Kunden Energieeffizienz-Maßnahmen umsetzen. Alternativ können sie von anderen Akteuren Energieeinsparnachweise – sogenannte Weiße Zertifikate – erwerben. Über ein solches System können zwischen ein und drei Prozent des Energieverbrauchs definierter Verbrauchsgruppen pro Jahr reduziert werden. In der aktuellen Situation ließe sich dieses Instrument in allen Energieverbrauchsgruppen anwenden und helfen, Milliarden an jährlichen Energiekosten einzusparen.
Bereits seit 2012 ist die Einführung eines solchen Instruments durch die EU-Energieeffizienz-Richtlinie empfohlen. Bislang hat Deutschland jedoch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, statt eines solchen Verpflichtungssystems alternative Instrumente wie etwa Förderprogramme umzusetzen. Weiterer Beweggrund war, dass Verzerrungen des Energieeffizienzmarktes nicht auszuschließen sind. Auch könnten die Energiepreise steigen, wenn die Verpflichteten ihre Kosten auf ihre Kundinnen und Kunden umlegen. Das System kann aber auch so ausgestaltet werden, dass Energieeinsparmaßnahmen in einkommensschwachen Haushalten umgesetzt werden und so gegen Energiearmut wirken. Auch könnten ohnehin erforderliche soziale Ausgleichsmaßnahmen für besonders betroffene Verbrauchergruppen verstärkt werden.
Ein Energieeffizienz-Verpflichtungssystem könnte etwa zusammen mit dem bereits in Erarbeitung befindlichen Energieeffizienzgesetz im Herbst 2022 eingeführt werden. Alle bereits ab 1. August 2022 realisierten und bis 31. Dezember 2022 nachgewiesenen, standardisierten Energieeinsparungen, die die Verpflichteten einem vom Staat beauftragten Programmadministrator nachweisen, könnten als besonderer Anreiz einmalig vom Staat vergütet werden, etwa mit drei Cent pro Kilowattstunde. Ab 2023 müssten die Verpflichteten dann weitere drei Prozent des Energieverbrauchs ihrer Kundinnen und Kunden durch eigene Maßnahmen reduzieren oder entsprechende Weiße Zertifikate am Markt erwerben. Bei Nichterfüllung wäre eine entsprechende Pönale zu bezahlen.
Der Vorteil solch eines Energieeffizienz-Verpflichtungssystems liegt
darin, dass – ähnlich wie beim europäischen Emissionshandel – der Staat
nur die Zielwerte und die Regeln vorgibt und kontrolliert. Eine große
Zahl an Verpflichteten begibt sich dann auf die Suche nach den für sie
individuell günstigsten Wegen zur Erfüllung der staatlichen Vorgaben.
Weitere Marktakteure werden so ebenfalls aktiviert, da die durch
Energieeffizienz-Investitionen generierten Energieeinsparungen als Weiße
Zertifikate einen zusätzlichen Wert erhalten. Je nach eigenem Know-how
und Marktangeboten werden so die günstigsten Energieeffizienz-Potenziale
erschlossen. Das kann beispielsweise durch energieeffiziente
Querschnittstechnologien wie LED in Industriehallen, durch
Abwärmenutzungstechnologien zur Wärmerückgewinnung aus
Produktionsprozessen oder durch Haushaltsgerätetauschprogramme für
Privathaushalte zusammen mit dem Einzelhandel erfolgen.
Andreas Kuhlmann: „Die langjährigen Erfahrungen aus Ländern wie
Frankreich, Italien oder Dänemark haben gezeigt, dass
Verpflichtungssysteme einen signifikanten Beitrag leisten,
Energieeffizienzmaßnahmen umzusetzen und Energieeinsparungen zu
realisieren. Höchste Zeit, es auch in Deutschland zu probieren.“
Eine im November 2021 veröffentlichte Studie des Umweltbundesamts gibt zahlreiche Hinweise für konkrete Ausgestaltungsoptionen eines Energieeffizienz-Verpflichtungssystems in Deutschland.
Quelle: dena/photothek
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena)
Chausseestraße 128 a, 10115 Berlin, , Internet: www.dena.de
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