Schluss mit praxisfernen Hygieneregeln in Kindereinrichtungen -
Strikte Trennung und Beständigkeit der Gruppen, vorgeschriebene
Mindestfläche pro Kind, Nutzungspläne für Freiflächen... Die Liste der
Hygienevorgaben für den eingeschränkten Kita-Betrieb ist nicht nur lang.
Die Vorgaben sind vor allem realitätsfremd und stellen die heimische
Wirtschaft vor erhebliche Probleme. Deshalb fordert die Industrie- und
Handelskammer Südthüringen (IHK), dass die Übergangsregelungen zur
Kinderbetreuung so schnell wie möglich aufgehoben werden, damit
Arbeitnehmer wieder wie auf dem Niveau vor der Krise beschäftigt werden
können. Keinesfalls darf auch mit Blick auf die Belastung der Familien
mit Kindern der Zustand solange dauern, bis ein Impfstoff gegen Covid-19
verfügbar ist. Manche Kitas in Südthüringen sind bereits seit dem 18.
Mai 2020 wieder für alle Kinder geöffnet. Andere Kitas ziehen erst am
25. Mai, nach Pfingsten oder am 15. Juni nach. Spätestens dann müssen
alle Kindertageseinrichtungen den eingeschränkten Regelbetrieb
aufgenommen haben. Die strengen Hygieneauflagen des Thüringer
Bildungsministeriums für den eingeschränkten Regelbetrieb sind jedoch
realitätsfremd und führen vielerorts zu verkürzten Öffnungszeiten oder
Wechselmodellen. Dies stellt Arbeitnehmer mit Kindern und die
Unternehmen, in denen sie beschäftigt sind, vor kaum zu bewältigende
Herausforderungen.
Erst kürzlich hatte eine IHK-Umfrage unter Südthüringer
Industriebetrieben ergeben, dass jeder zehnte Industriebetrieb in der
aktuellen Kinderbetreuung ein Problem sieht. „Der Re-Start der
Wirtschaft nach dem Shutdown ist ohnehin schon in vielen Bereichen
fragil. Jetzt kommen auch Unternehmen, die bisher eher weniger von der
Pandemie betroffen sind, aufgrund der aktuellen Hygienevorschriften in
den Kitas an die Grenze ihrer Organisationsfähigkeit“, informiert Dr.
Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.
Neben dem eingeschränkten Kita-Betrieb wird der Präsenzunterricht an
den Schulen wiederaufgenommen. Die aktuell angedachten Präsenzblöcke
variieren von Schule zu Schule erheblich. Sollten Arbeitnehmer Kinder in
Schule und Kita haben, so entsteht nahezu eine ganztägige
Betreuungsnotwendigkeit. „Aus unseren Beratungen wissen wir, dass einige
Unternehmen bereits darüber nachdenken, die betroffenen Mitarbeiter
freizusetzen. Das schadet den bereits angeschlagenen Betrieben
zusätzlich, denn oftmals sind gerade die Beschäftigten im mittleren
Alter, die Kinder haben, die Leistungsträger in den Unternehmen.
Die IHK Südthüringen fordert deshalb, dass die realitätsfremden
Regelungen der eingeschränkten Kinderbetreuung unverzüglich aufgeboben
werden, so dass Beschäftigte ihrer Arbeit im gleichen Umfang wie vor der
Corona-Krise nachgehen können. Die vergangenen Wochen haben gezeigt,
dass Arbeit und Kinderbetreuung im Home Office nicht wirklich
funktionieren. „Gerade in der Industrie gibt es zudem viele
Arbeitsplätze, in denen Home Office gar nicht möglich ist. Hinzu kommen
die Belastung der Arbeitnehmer und negative Langzeitauswirkungen auf die
Kinder“, sagt Dr. Pieterwas.
Auch von kommunaler Seite und Kita-Trägern erreichen die IHK
Südthüringen Hinweise auf eine fehlende Praxistauglichkeit der
Hygienevorgaben. Wie etwa Kindern erklärt werden soll, dass sie in der
Kita nicht mit dem eigenen Geschwisterkind, mit dem sie zu Hause
zusammenleben, spielen dürfen, haben die Autoren der Handreichung nicht
bedacht. „Selbst wenn man eine Dreifelderhalle buchen würde, die einen
großzügigen räumlichen Abstand zwischen den Kindern ermöglicht, ist es
doch am Ende so, dass alle Kinder in einer Ecke zusammenspielen würden.
Kinder zieht es zu anderen Kindern und daran wird ein Hygiene-Papier
nichts ändern“, ergänzt Dr. Pieterwas. Da es bislang keinen
wissenschaftlichen Beleg dafür gibt, dass Kinder die Infektionen mit
Covid-19 beschleunigen und die Fallzahlen insgesamt zurückgehen, sollte
die baldige Rückkehr zum Normalbetrieb auf die politische Agenda
gebracht werden. „Fatal wäre es, wenn die Landesregierung bei ihrem
bisherigen Ansatz bleibt, den Normalbetrieb in Kitas erst dann wieder zu
erlauben, wenn es einen Impfstoff gibt“, sagt Dr. Pieterwas.
Industrie- und Handelskammer Südthüringen
Bahnhofstraße 4-8
98527 Suhl