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Februar 2021 – Prof. Peter Nyhuis übergibt die Otto-Kienzle-Gedenkmünze
an Dr. Marc-André Dittrich (v.l.n.r. Prof. Peter Nyhuis, Leiter des
Instituts für Fabrikanlagen und Logistik (IFA) Hannover; Prof. Berend
Denkena, Vizepräsident der WGP und Leiter des Instituts für
Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) Hannover; Prof. Bernd-Arno
Behrens, Leiter des Instituts für Umformtechnik und Umformmaschinen
(IFUM) Hannover; Dr. Marc-André Dittrich, Quelle: Nico Niemeyer, IFW
Hannover - Dr. Marc-André Dittrich nahm am Freitag die goldene
Otto-Kienzle-Gedenkmünze entgegen – die renommierte Auszeichnung der
WGP, der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik, dem
Zusammenschluss führender Professoren der Produktionstechnik. „Seine
extrem schnelle Auffassungsgabe und vor allem sein interdisziplinärer
Blick auf die Dinge hat eine ganze Bandbreite an Innovationen nach sich
gezogen“, berichtete Prof. Berend Denkena, Vizepräsident der WGP und
Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW)
der Leibniz-Universität Hannover. Der Pandemie geschuldet, wurde die
Preisverleihung nur in kleinstem Rahmen organisiert. „Insbesondere bei
sich selbst optimierenden Fertigungssystemen hat er eine Schnittstelle
zur Informatik geschaffen. Neben grundlegenden Aspekten konnten wir
durch seine Arbeiten vor allem bei der praktischen Umsetzung der Systeme
einen großen Schritt nach vorne machen.“ Mit Blick auf die
Digitalisierung „müssen wir uns auf jeden Fall mehr an der Informatik
ausrichten, etwa beim Machine Learning“, ergänzt Dr. Marc-André
Dittrich. „Wir schauen als Fertigungstechniker noch zu oft nur darauf,
was allein aus der Mechanik machbar wäre Die interdisziplinäre
Kooperation eröffnet uns hingegen neue Möglichkeiten.“
Das Arbeiten an den Schnittstellen der verschiedenen Fachrichtungen
treibt er als Leiter des Bereichs „Produktionssysteme“ voran. Hier
forschen die Mitarbeiter an der Optimierung von Fertigungssystemen und
deren Steuerung: „Unser Ziel ist es, sich selbst optimierende Maschinen
und Anlagen zu schaffen“, erläutert der Preisträger. Seit der Übernahme
der Leitung während seiner Promotion im Jahr 2015 hat er die Zahl der
Mitstreiter von zehn auf 25 erhöhen können – ein in der Kürze der Zeit
erstaunlicher Ausbau. „Darauf bin ich schon etwas stolz, aber diese
Entwicklung lässt sich nicht auf eine Person herunterrechnen. Das haben
wir im Team erreicht.“ Unter anderem hat Dittrich mit seinen Kollegen
für die Verstetigung von Entwicklungsarbeiten an einer technologischen
NC-Simulation für spanende Fertigungsprozesse gesorgt. Eine
eigenständige Abteilung sorgt für deren ständige Weiterentwicklung. Im
Exzellenzcluster PhoenixD führt Dittrich darüber hinaus eine Task Group,
die sich mit Qualitätsregelkreisen in der Fertigungstechnik
beschäftigt: „Daten aus der Fertigung müssen intelligent miteinander
verknüpft werden, um zu selbstlernenden Systemen zu kommen, die auch bei
kleinsten Losgrößen eine effiziente Fertigung gewährleisten.“
Interdisziplinarität als Leitbild
Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Prozessrobustheit – der thematische
Bogen bei Dittrichs Forschungen ist ungewöhnlich weit gespannt. Das
Merkmal, das die gesamte Laufbahn von Dittrich kennzeichnet, ist dabei
die Interdisziplinarität. „Ich hatte schon in der Schule keine
Lieblingsfächer, weil mich alles interessiert hat“, blickt Dittrich
zurück. „Ich bin neugierig und schnell begeisterungsfähig – mit allen
Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt.“ Seinem Werdegang hat es
bislang offensichtlich nicht geschadet. Die Gedenkmünze ist sein dritter
größerer Preis, den er erhalten hat – von den verschiedenen Stipendien
mal abgesehen.
Bei der langen Reihe herausragender Erfolge bleibt die Frage, wo
Dittrich selbst die Höhepunkte seiner bisherigen Laufbahn sieht.
„Zunächst einmal gehört mein Studienaufenthalt am Massachusetts
Institute of Technology (MIT) in den USA dazu. Dort ist in mir die Idee
herangereift, in die Forschung zu gehen.“ Aufregend sind aber immer
wieder das Vorstellen von eigenen Arbeitsergebnissen vor internationalem
Fachpublikum. „Meine Ergebnisse zu präsentieren und diskutieren ist
vorab immer mit einer gewissen Nervosität verbunden. Aber danach schlägt
es um in Glücksgefühle.“ Dem war wohl auch 2019 so bei der Vorstellung
des neuen Sonderforschungsbereichs SFB 1368 vor den Gutachtern. „Es war
eine große Anerkennung, denn normalerweise machen das gestandene
Professoren.“ Und es ist gutgegangen, der SFB wird seit 2020 von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert: „Ein ziemlich gutes
Gefühl“, meint Dittrich.
Sauerstofffreie Produktion
Aber der Wirtschaftsingenieur war schließlich in seinem Element – im
SFB geht es um die interdisziplinäre Forschung, in diesem Fall um
Grundlagenforschung zu sauerstofffreien Produktionsprozessen. „Das ist
ein absolut spannendes Gebiet“, freut er sich. Er hat die Leitung eines
Teilprojekts zur Zerspanung inne. „Wir werden untersuchen, was genau
passiert, wenn ohne Sauerstoff zerspant wird: Was passiert an der
Schneidkante? Wie wirkt sich das auf die Späne aus beziehungsweise auf
den Werkzeugverschleiß?“ Seine Aufmerksamkeit will der
Nachwuchswissenschaftler unter anderem auf Titanspäne richten. Titan ist
bekanntlich teuer und nicht recycelte Späne sind extreme Verschwendung.
„Das IFW arbeitet bereits an Recyclingmethoden, aber das Potenzial zur
Wiederverwendung hängt auch mit dem Grad der Oxidation zusammen. Wir
wollen Titanspäne direkt recycelbar machen.“
Neugier als Antrieb
Aber auch seine Arbeit als Research Affiliate in der Internationalen
Akademie für Produktionstechnik (CIRP, Collège Internationale pour la
Recherche en Productique) empfindet der 34-Jährige als etwas ganz
Besonderes: „Dort arbeite ich auf internationalem Level zusammen mit
Leuten, die ihren Job schon lange machen und noch immer für ihn brennen.
Das ist sehr anregend“, erzählt Dittrich. Inspirierend scheint der
Nachwuchswissenschaftler auch auf Studierende zu wirken. Die
Lehrveranstaltungen im Bereich der Fertigung und deren Organisation, die
er schon früh übernommen hat, sind jedenfalls beliebt. Hinzu kommt
wohl, dass Dittrich stets ein offenes Ohr für seine Zuhörer und
Zuhörerinnen hat – selbst, wenn es nichts mit der Vorlesung zu tun hat.
„Ich bin während meines Werdegangs immer wieder auf Menschen gestoßen,
die mich gefördert und mir weitergeholfen haben. Das möchte ich
weitergeben.“
Aber es braucht auch Zeit – neben all den anderen Tätigkeiten. Wie er
das alles schafft? „Das ist Neugier und der innere Antrieb, etwas Neues
aufzubauen, das kein Strohfeuer ist“, formuliert es der Preisträger.
Und dann ist da ja auch noch das Privatleben. „Das funktioniert
natürlich nur, wenn man jemanden an seiner Seite hat, der genauso tickt.
Meine Frau ist ebenfalls in der Forschung aktiv, das ist ein ganz
großes Glück. Wir müssen beide immer mal wieder am Wochenende arbeiten.“
Wenn dann mal wieder irgendwann keine Pandemie ist, sind aber neben
Spaziergängen mit seiner Frau auch wieder Fußball-Treffen mit Freunden
oder ein Tennis-Match mit dem Kollegen aus dem Büro gegenüber drin –
oder der Besuch im Jazzclub Hannover.
Wie es beruflich weitergehen soll? „Zunächst möchte ich meine
Habilitation an der Leibniz Universität Hannover abschließen“, sagt
Dittrich. „Das Produktionstechnische Zentrum bietet hervorragende
Möglichkeiten für die Forschung und ich bin Professor Denkena für die
Unterstützung sehr dankbar. Perspektivisch kann ich mir sowohl eine
Tätigkeit in der Wirtschaft als auch in der Forschung vorstellen.“ Jetzt
hat er jedenfalls erst einmal noch die Leitung eines Arbeitskreises
übernommen – im neuen DFG-Schwerpunktprogramm FluSimPro. Es geht um den
effizienten Einsatz von Kühlschmierstoffen und die Simulation der
Fluiddynamik, auch so ein Schnittstellenthema zu anderen
Fachdisziplinen.
Cyber-physische Werkzeugmaschine für die Zerspanung, Quelle: Nico Niemeyer, IFW Hannover
Zur Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik e.V.:
Die WGP (Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik e.V.)
ist ein Zusammenschluss führender deutscher Professorinnen und
Professoren der Produktionswissenschaft. Sie vertritt die Belange von
Forschung und Lehre gegenüber Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Die WGP vereinigt 66 Professorinnen und Professoren aus 40 Universitäts-
und Fraunhofer-Instituten und steht für rund 2.000 Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler der Produktionstechnik. Die Mitglieder genießen
sowohl in der deutschen Wissenschaftslandschaft als auch international
eine hohe Reputation und sind weltweit vernetzt.
Die Labore der Mitglieder sind auf einem hohen technischen Stand und
erlauben den WGP-Professoren, in ihren jeweiligen Themenfeldern sowohl
Spitzenforschung als auch praxisorientierte Lehre zu betreiben. Die WGP
hat sich zum Ziel gesetzt, die Bedeutung der Produktion und der
Produktionswissenschaft für die Gesellschaft und für den Standort
Deutschland aufzuzeigen. Sie bezieht Stellung zu gesellschaftlich
relevanten Themen von Industrie 4.0 über Energieeffizienz bis hin zu
3D-Druck.
WGP – Lyoner Str. 14 - 60528 Frankfurt a.M.