02.10.2020
- „Die heimische Wirtschaft kehrt langsam wieder auf den
Wachstumspfad zurück. Die Stimmung ist deutlich besser als im Frühjahr,
obwohl die aktuelle Geschäftslage bei zahlreichen Unternehmen weiterhin
angespannt bleibt, insbesondere in der Industrie. Aus dem Schneider sind
wir daher noch lange nicht.“ Mit diesen Worten kommentiert
IHK-Präsident Felix G. Hensel die Ergebnisse der aktuellen
IHK-Konjunkturumfrage, an der sich 543 Unternehmen mit mehr als 38.000
Beschäftigten aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungen
in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligten. Der
Konjunkturklimaindex – er ergibt sich aus Lagebeurteilung und Erwartung -
steigt um 27 Punkte auf einen Wert von 92, bleibt aber weiter deutlich
unter dem langfristigen Mittelwert der letzten 20 Jahre (106). Auch der
Lagesaldo verbessert sich um 19 Punkte. Die negativen Einschätzungen
überwiegen aber weiterhin. 23 % der Betriebe aus Siegen-Wittgenstein und
Olpe berichten von guten Geschäften, 34 % von schlechten. Die
Erwartungen sind jedoch insgesamt deutlich optimistischer als im
Frühjahr.
23% der Unternehmen blicken positiv in die Zukunft, 28 % sind
pessimistisch. Der Saldowert steigt um 34 Punkte. Felix G. Hensel: „Die
Sommermonate brachten eine konjunkturelle Erholung bei uns und in
zahlreichen Ländern weltweit. Die Auftragseingänge steigen, die
Produktion nimmt langsam wieder Fahrt auf. Wir werden aber nicht von
heute auf morgen aus dem Tal herauskommen. Es wird nach unserer
Einschätzung sehr lange dauern, zumal die Risiken wie Corona oder Brexit
auf der Tagesordnung bleiben.“ Etwa die Hälfte der Unternehmen aus
Siegen-Wittgenstein und Olpe rechnet frühestens ab dem zweiten Halbjahr
2021 mit einer Rückkehr zur normalen Geschäftstätigkeit. Jedes fünfte
Unternehmen sieht sogar erst das Jahr 2022 als realistisch an. Dieser
Weg könnte sich für einige Firmen noch als sehr steinig erweisen.
IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Die pandemiebedingten
Umsatzeinbußen belasten die Liquidität etlicher Unternehmen. Zahlreiche
Firmen werden im laufenden Geschäftsjahr rote, wenn nicht sogar tiefrote
Zahlen schreiben. Wir werden mit Insolvenzen rechnen müssen.
Schließlich berichten 18 % der regionalen Betriebe von
Liquiditätsengpässen und ein Viertel von Rückgängen des Eigenkapitals.“
Die Auswirkungen auf die Beschäftigungsentwicklung und die
Investitionsneigung sind offenkundig. Derzeit gehen 33 % der Unternehmen
von einer geringeren Mitarbeiterzahl aus - unwesentlich weniger als im
Frühjahr. Die Investitionsneigung verbessert sich ebenfalls nur
marginal. 37 % der Unternehmen wollen weniger, nur 14 % mehr
investieren. Klaus Gräbener: „Nur wer an seine eigene Zukunft glaubt,
der investiert auch. Sollte sich der vom Institut der deutschen
Wirtschaft prognostizierte Rückgang der Investitionen um 20 % in diesem
Jahr tatsächlich bewahrheiten, muss einen das doch sehr besorgen, vor
allem mit Blick auf die heimische Industrie.“ Dort verbessert sich zwar –
getragen von optimistischen Geschäftserwartungen – das Konjunkturklima,
die Lageeinschätzung bleibt aber angespannt. 41 % der befragten
Betriebe beurteilen ihre derzeitige Geschäftslage als schlecht, nur 15 %
als gut. Dagegen sind die Erwartungen positiver. 26 % der
Industrieunternehmen sehen optimistisch in die Zukunft, 31 % sind
pessimistisch. Große Teile der heimischen Industrie befinden sich
weiterhin in äußerst schwierigem Fahrwasser. Die Lage ist nur
unwesentlich besser als im Frühjahr. Die Erträge haben sich bei mehr als
der Hälfte der Industrieunternehmen im letzten halben Jahr zum Teil
deutlich verschlechtert. IHK-Konjunkturexperte Stephan Häger: „Bleibt
dies so, haben wir ein Problem. Schließlich ist beinahe jeder zweite
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte direkt in den
Industrieunternehmen oder in deren Umfeld tätig. Gut, dass sich die
Auftragsbücher zumindest in Teilen der Industrie langsam wieder füllen.“
Die Auftragssalden für das In- und Ausland klettern zwar um mehr als 30
Punkte, bleiben aber deutlich im negativen Bereich. Jedes zweite
Industrieunternehmen meldet sinkende Auslandsaufträge, nur 16 %
steigende. Klaus Gräbener: „Der Export stottert nach wie vor deutlich
vernehmbar. Das Auslandsgeschäft war über Jahre hinweg unser
Wachstumsmotor, heute erweist es sich als Achillesferse. Bereits in den
ersten sieben Monaten brachen die Auslandsumsätze der regionalen
Industrieunternehmen um 19 % ein. Verfestigt sich dieser Trend, werden
die Unternehmen am Ende des Jahres allein im Ausland etwa 1,3 Mrd. €
weniger umsetzen als 2019. Eine gute wirtschaftliche Lage fühlt sich
anders an.“
Der Bausektor kommt bisher nahezu unbeschadet
durch die Corona-Krise. 63 % der befragten Baubetriebe geben eine gute
Lage an, nur 8 % eine schlechte. Felix G. Hensel: „Die Bauwirtschaft
brummt weiter. Die Auslastung ist bei den meisten Unternehmen äußerst
gut. 77 % geben eine Spitzenauslastung von über 85 % an. Vermehrt wird
jedoch von Auftragsrückgängen der öffentlichen Hand und der Wirtschaft
berichtet. Die Unsicherheiten über nachgelagerte Auswirkungen der
Corona-Krise drücken daher erheblich auf die Stimmung.“ 42 % der
Baubetriebe erwarten in den kommenden Monaten schlechtere Geschäfte, 8 %
bessere. Ein Drittel rechnet für das kommende Jahr mit einem
Umsatzrückgang.
Im Einzelhandel verbessern sich sowohl die
Lageeinschätzung als auch die Erwartungen. 26 % berichten von einer
guten Geschäftslage und 33 % von einer schlechten. Die Stimmung im
Einzelhandel hellt sich auf. In den letzten beiden Monaten stiegen die
Einzelhandelsumsätze und die Konsumstimmung kontinuierlich, allerdings
mit erheblichen Unterschieden zwischen den Branchen. Möbel,
Einrichtungsgegenstände, Fahrräder und Outdoorartikel laufen gut, Schuhe
und Bekleidung eher nicht. Stephan Häger: „Der eigentliche
Corona-Gewinner ist ohnehin der Online-Handel. Die Freude am Einkaufen
will sich bei den Innenstadtkunden offensichtlich nicht so recht
einstellen. Man spart lieber, als das verfügbare Einkommen auch
auszugeben. Die Blockade in den Köpfen hat die kostspielige
Mehrwertsteuersenkung jedenfalls nicht gelöst.“
Die Stimmung
im Großhandel verbessert sich ebenfalls. Der Lagesaldo steigt um 37
Punkte. 29 % der Großhändler bewerten ihre Lage als gut, 24 % als
schlecht. Bei den Erwartungen überwiegen noch leicht die pessimistischen
Einschätzungen. Der Saldowert der Geschäftserwartungen steigt um 30
Punkte aber ebenfalls deutlich.
In der Dienstleistungsbranche
hat sich gegenüber dem Frühjahr die konjunkturelle Stimmung deutlich
verbessert. 28 % der befragten Dienstleistungsunternehmen aus
Siegen-Wittgenstein und Olpe melden eine gute Geschäftslage, 29 % eine
schlechte. Der Lagesaldo steigt um 40 Punkte. Auch die Erwartungen sind
wieder deutlich optimistischer. 21 % gehen von zukünftig besseren
Geschäften aus, 23 % von schlechteren. Stephan Häger: „Vor allem das
Gastgewerbe blickt jedoch mit großer Sorge Richtung Herbst, wenn die
Außenbereiche nicht mehr so genutzt werden können, wie noch im Sommer.
In zahlreichen Gaststätten haben sich durch die Corona-Auflagen die
Sitzplätze um bis zu 50 % reduziert.“ Zudem ist für viele problematisch,
dass der Umsatz mit Geschäftsreisenden nahezu komplett eingebrochen
ist. Auch Tagungen sind unter Corona-Regeln schwierig, große Feiern oder
Veranstaltungen unmöglich.
Industrie- und Handelskammer Siegen
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