
11.08.2020
- „Die heimischen Unternehmen sind etwas optimistischer als im
Frühsommer. Es geht jedoch nur sehr verhalten aufwärts. Einige scheinen
bisher gut durch die Krise hindurchgekommen zu sein, für die Mehrzahl
der Firmen gilt dies jedoch nicht. Wir befinden uns weiterhin in äußerst
schwierigem Fahrwasser. Zwar rechnet mehr als ein Fünftel der
Unternehmen in den kommenden Monaten mit steigenden Umsätzen. Fast die
Hälfte der Betriebe befürchtet jedoch weitere Umsatzrückgänge. Dass der
Erholungsprozess langwierig ausfallen dürfte, sollte inzwischen jedem
klar sein.“ Mit diesen Worten kommentiert IHK-Präsident Felix G. Hensel
die Ergebnisse einer aktuellen IHK-Blitzumfrage zur wirtschaftlichen
Situation, an der sich 424 Unternehmen aus Industrie, Bauwirtschaft,
Handel und Dienstleistungen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe
beteiligten. Nach dem beispiellosen Konjunktureinbruch verbessert sich
die Stimmung unter den Unternehmen zwar. Der Konjunkturklimaindex – er
ergibt sich aus Lagebeurteilung und Erwartung – steigt um 11 Punkte auf
einen Wert von 76 Punkten, bleibt aber 29 Punkte hinter dem
langfristigen Mittelwert der letzten 20 Jahre zurück.
Immerhin erholt sich die Lageeinschätzung leicht. 19 % der Betriebe
aus Siegen-Wittgenstein und Olpe berichten von guten Geschäften. Eine
schlechte Geschäftslage geben 41 % der Firmen an. Auch die Erwartungen
sind zwar optimistischer als zuletzt, dennoch gehen mehr als doppelt so
viele Betriebe (45 %) in den kommenden Monaten von schlechteren
Geschäften aus als von guten (19 %). Der Umfrage zufolge ist weiterhin
mit sinkenden Beschäftigtenzahlen zu rechnen. 8 % der Unternehmen haben
vor, in den nächsten zwölf Monaten mehr Personal einzustellen, 35 %
wollen hingegen ihre Belegschaft verkleinern.
Felix G. Hensel:
„Zunächst ist erfreulich, dass in etlichen Branchen der heimischen
Wirtschaft die Schockstarre einem vorsichtigen Optimismus weicht. Ein
wichtiger Hebel, um die Investitionstätigkeiten weiter anzukurbeln,
besteht darin, die hohe Steuerbelastung der Unternehmen endlich zu
senken. Während in Frankreich, Belgien und Großbritannien die richtigen
Signale gesetzt werden, fällt Deutschland im Steuerwettbewerb weiter
zurück. Ein nachhaltiger Aufschwung wird so nur schwer zu
bewerkstelligen sein.“
Die heimischen Industrieunternehmen
beurteilen ihre Zukunft besser als die aktuelle Lage. 13 % der befragten
Unternehmen schätzen ihre derzeitige Geschäftslage als gut ein, aber 46
% als schlecht. Damit bewegt sich die Lageeinschätzung nahezu konstant
auf dem niedrigen Frühjahrsniveau. Die Geschäftserwartung steigt
indessen deutlich. 27 % der Betriebe blicken optimistisch in die
Zukunft, 42 % sind pessimistisch. Der Erwartungssaldo steigt um 26
Punkte. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Eine deutliche
Erholung in der Industrie ist derzeit kaum wahrnehmbar. Wer hoch
klettert, kann tief fallen. Und wer tief fällt, braucht eben lange Zeit,
um wieder oben anzukommen. Dennoch deuten die optimistischeren
Erwartungen darauf hin, dass zumindest Teile der Industrie den Tiefpunkt
überwunden haben könnten.“ Klar ist jedoch: Die Auftragsbücher füllen
sich wieder. Das gilt sowohl für das In- als auch für das
Auslandsgeschäft. Deutschlandweit stiegen laut Statistischem Bundesamt
die Bestellungen im Juni um 27,9 % im Vergleich zum Vormonat. Auch für
den IHK-Bezirk bestätigt sich dieser Trend. Der Auftragssaldo für das
Inland klettert um 41 Punkte und der für das Ausland um 37 Punkte. Klaus
Gräbener: „Das macht Mut. Dennoch bleiben die Unsicherheiten extrem
hoch. Wer weiß in diesen Zeiten schon, wie sich die Welt in den
kommenden vier Wochen verändert? Kommt es zu einem weiteren
flächendeckenden Lockdown, sind die Befragungsergebnisse ohnehin
Makulatur.“ Sicher erscheine der IHK derzeit nur, dass es extrem lange
dauern werde, bis sich die Industrie in ihrer gesamten Breite von den
tiefen Einschnitten der letzten Monate erhole. Etliche
Entscheidungsträger in der Wirtschaft gingen davon aus, dass es bis zu
zwei Jahre dauern könne, ehe man das Produktionsniveau von vor der
Corona-Krise wieder erreiche. Schließlich sei der heimische
Industrieumsatz in den ersten fünf Monaten um 15 % zurückgegangen. Klaus
Gräbener: „Hält dieser Trend an, setzen die heimischen
Industrieunternehmen 2020 satte 2,5 Mrd. € weniger um als 2019. Was das
für die Auslastung der Unternehmen und die Beschäftigungslage bedeuten
würde, kann sich jeder an fünf Fingern ausrechnen.“
Den
Bausektor hat die Corona-Krise bisher kaum getroffen. 52 % der befragten
Baubetriebe geben eine gute Lage an, 5 % eine schlechte.
IHK-Konjunkturexperte Stephan Häger: „Die Lage in der Bauwirtschaft ist
gut und hat sich im Sommer sogar noch verbessert. Aber: Unsicherheiten
über nachgelagerte Auswirkungen der Corona-Krise drücken erheblich auf
die Stimmung.“ 57 % der Baubetriebe rechnen in den kommenden Monaten mit
schlechteren Geschäften, kein Unternehmen mit besseren. Während des
Lockdowns mussten viele Händler der Region herbe Umsatzrückgänge
hinnehmen. „Der große Gewinner des Lockdowns war ohne Zweifel der
Online-Handel. Diejenigen Händler, die die digitalen Wege aktiv nutzten,
sind sicherlich besser durch die Lockdown-Phase gekommen als der rein
stationär ausgerichtete Händler“, betont Häger. Inzwischen seien die
Ladenlokale wieder geöffnet und eine vermeintliche Normalität halte
Einzug. Auch die Konsumlaune erhole sich. Daher hebe sich die Stimmung
im Einzelhandel wieder. Berichteten im Frühjahr noch 47 % von einer
schlechten Geschäftslage, sind es derzeit „nur“ noch 35 %. Von einem
steigenden Konsumverhalten berichten fast 30 % der lokalen
Einzelhändler. „Wie und ob sich die sechsmonatige Mehrwertsteuersenkung
auf das Konsumverhalten auswirkt, müssen wir allerdings noch abwarten.
Der Handel mit Einrichtungsgegenständen sowie mit Elektro- und
Haushaltsgeräten wird wohl stärker davon profitieren als beispielsweise
der innenstadtprägende Modeeinzelhandel“, berichtet Stephan Häger.
Auch die Dienstleistungsbranche scheint in großen Teilen den Tiefpunkt
zu überwinden. Insbesondere beim Gastgewerbe steigen die
Lageeinschätzung und Geschäftserwartungen deutlich. Der Lagesaldo steigt
um 70 Punkte und der Erwartungssaldo um 52 Punkte. Dank des
Sommerwetters der vergangenen Wochen und der Ferien lief das Geschäft
vieler Gastronomen und Hoteliers wieder an. In anderen Bereichen wie
beispielsweise der Event- und Kulturbranche bleibt die Lage weiterhin
äußerst ernst. Sie leiden im Besonderen unter den Corona-Beschränkungen.
Industrie- und Handelskammer Siegen
Koblenzer Straße 121
57072 Siegen